Tach zusammen!

Triumph hat eine guten Angewohnheit: Sie geben einem ein Ersatzmopped, wenn das eigene in der Werkstatt verweilt!
Aus diesem Anlaß durfte ich Anfang der Woche zwei Tage Thruxton fahren.

Bin im Laden schon immer um dieses wunderschöne, rote Teil herum geschlichen und hab hab mir versucht vorzustellen, wie sie wohl fährt. Jetzt weiß ich es; sie fährt zum Glück nicht ganz so old-fashioned, wie sie aussieht. Beim Hochwuchten in die Senkrechte fiel mir nur ein Wort ein: Eisenhaufen. Das ist zwar ein wenig unfair, aber im Vergleich zur Street muß die Thruxton sich das gefallen lassen.
Das Lenkschloß ist stilecht nach Altväter Sitte rechts am Lenkkopf montiert. Das kleine Schlüsselchen reingesteckt, eine Achtelumdrehung nach links bei gleichzeitigem Entlasten der Lenkung und schon flutscht der Sperrbolzen raus. Das Zündschloß liegt gegenüber links hinter dem riesigen Chromscheinwerfer. Ein Klick dort läßt die üblichen Lämpchen im wunderschönen, weißen Cockpit aufleuchten. Die beiden analogen (jedenfalls sehen sie so aus) Uhren gucken, ob ihre Endanschläge noch da sind und schon kanns losgehen. Bei kühler Witterung muß zuerst der zweistufige Choke links am "Vergaser" betätigt werden, dann endlich darf man den Starterknopf drücken. Kickstarter haben sie sich wohl nicht getraut? Feiglinge!

Der 900er Twin legt sofort los. Aber statt des erwarteten Bonnie-Blubberns tönt es aus den beiden Chromtüten wie Donnerhall! Meine Fresse, damit hab ich nicht gerechnet. Ein wohliger Schauer jagt mir über den Rücken, das Grinsen wird breiter.
Mein zweiter Gedanke gilt der Rennleitung. Ach was, die haben bestimmt besseres zu tun, ausserdem sind sie hier in Berlin von den ganzen Harleys abgehärtet.

Ich beuge mich tief herunter zu den dicken, balligen Griffen und nehme mit mehr als kernigem Sound Kurs Richtung Stadtautobahn. Die beiden weißen Uhren vor und der Mördersound hinter mir lassen Isle of Man feeling aufkommen. Der Motor nimmt ab Standgas klaglos Drehzahl auf, nix Kettenreißen und -schlagen. Es geht also auch ohne dritten Kolben und ähnliche Unnötigkeiten! OK, der Verbrauch lag am Ende unwesentlich über vier Litern, da war mehr eine sechs vorn... Aber der Spaß ist es wert.

Die Sitzposition ist extrem langgestreckt, sowas wie Knieschluß sucht man vergebens. Die Beingelenke baumeln irgendwo unter dem Tank herum. Zusammengefasst könnte man von einer ergonomischen Katastrophe sprechen. Macht aber nicht wirklich etwas, das Aussehen und der Sound entschädigen für fast alles. Mit fast ist der Seitenständer gemeint. Der Hebel zum Ausklappen ist, vorsichtig ausgedrückt, falsch angebracht. Mit dem Hacken schafft man es nach etlichen Versuchen und einer gewissen Panik dann irgendwann irgendwie. Ich hatte mich schon heimlich nach einem Platz zum Anlehnen umgeschaut...
Aber erstmal wird gefahren. Es hat ein ganz besonderes Flair, dieses wunderschöne Motorrad zu bewegen. 900 Kubik und 61 Pferde bilden eine gute Gemeinschaft. Dank kurzer Übersetzung macht es mächtig Spaß, dem Eisen die Sporen zu geben. Das Stakkato aus den Endrohren (stand nicht mal der Hersteller drauf) scheint die Zeiger vorn zu beflügeln. Sie bewegen sich flott über ihre Skalen - Isle of Man, ich komme!
Kurven gehen nicht ganz so spielerisch wie mit der Street, aber sie gehen. Man muß dem 18-Zöller vorn nur über den Lenker eine klare Anweisung geben, dann biegt er auf die Linie ein und bleibt auch dort. Mangelnder Knieschluß wird durch Drücken oder leichtes Hanging-Off ausgeglichen.
Die Bremse ist nach heutigen Maßstäben (Street Triple R ) nicht so der Hit. Viel Handkraft gepaart mit mäßiger Wirkung erfordern Eingewöhnung und vorausschauende Fahrweise. Der hintere Stopper läßt sich allerdings nicht lange bitten und hilft gern und wirkungsvoll aus. Den Trommeln früherer Jahre sind sie aber immernoch weit überlegen.

Das Getriebe stammt ganz klar aus modernen Zeiten. Mit leisem Klick rasten die fünf Gänge leicht und sicher, sowohl rauf wie runter. Wenn ich einen Wunsch äußern darf, bitte in das Streety Getriebe noch etwas Gehirnschmalz investieren, liebe Engländer!

Dieses Motorrad erfordert Konzentration und klare Ansagen. Anfänger werden damit wahrscheinlich nicht glücklich. Aber wenn man sich drauf einläßt belohnt es den Reiter mit einem tollen Fahrfeeling. Unsere beiden Helden Ewald Kluge und Ernst Henne an der AVUS-Nordkurve haben mich das erste Mal zurückgegrüßt!
Mindestens die Hälfte des sehr breiten Grinsens erzeugte bei mir bereits der Anblick der Thruxton, der Sound war nochmal für einen guten Teil verantwortlich. Das man mit dem Auspuff vom Tüv-Prüfer bestenfalls einen Vogel gezeigt bekommt ist klar, aber, liebe Sachverständige, bei der TT gehört das nun Mal zum guten Ton!

Gruß René

Das Foto der Rennfahrer mit freundlicher Genehmigung von Wikipedia.

Hi,

stimmt! Der linke Motordeckel heizt dem Knöchel ordentlich ein, aber Wärme ist ja gut für die Gelenke...
Mit den montierten Endrohren gibts wahrscheinlich sogar auf der Rennstrecke ein Nein. Ich schätze, das waren locker über 100dB.

Direkt nach dem Umstieg fühlte sich die Streety übrigens im ersten Moment an wie 'ne Reiseenduro.

Gruß René